Neues Recht für Handelsvertreter

In vielen Wirtschaftsbereichen findet der Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen über Handelsvertreter statt. Dies ist dem Verbraucher häufig gar nicht bewusst. Beispielhaft zu nennen sind Versicherungen, aber auch Handy-Verträge, Fenster, Werbeflächen, Abos und ähnliches.

Handelsvertreter leben nicht nur von den Provisionen, die sie aus den vermittelten Geschäften erhalten, sondern erhalten nach Beendigung ihrer Handelsvertretertätigkeit einen so genannten Ausgleichsanspruch. Damit werden die Kundenbeziehungen abgegolten, die der Handelsvertreter dem Unternehmen geworben hat und die das Unternehmen für die Zukunft noch weiter verwenden kann. Die Berechnung dieses Ausgleichsanspruchs ist hoch kompliziert und füllt ganze Bücher.

Der Gesetzgeber hat nun still und heimlich aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs die einschlägige Vorschrift des § 89 b HGB ändern müssen. Dies ist vielen Betroffenen noch gar nicht bekannt.

Bisher war es so, dass hinsichtlich der Berechnung des Ausgleichsanspruchs darauf abgestellt wurde, wie viel Provisionseinnahmen in der Zukunft der Handelsvertreter durch Beendigung des Vertrags verloren hatte. Es wurde eine Prognoserechnung gemacht mit vielen Variablen, um diese Provisionsverluste zu berechnen. Danach bemaß sich in der Regel der Ausgleichsanspruch, der jedoch grundsätzlich auf eine durchschnittliche Jahresprovision begrenzt ist.

In der Rechtsprechung wurde unterstellt, dass den Provisionsverlusten des Vertreters entsprechende Vorteile des Unternehmens gegenüberstehen, die der Unternehmer dann verwerten kann. Das hatte zur Folge, dass in bestimmten Situationen, in denen der Vertreter aus den bestehenden Kundenbeziehungen keinerlei Provisionsverluste hatte (zum Beispiel bei Waren, die in der Regel nur einmal vom Kunden bezogen werden), auch ein Ausgleichsanspruch ausschied, obwohl das Unternehmen eventuell aus der Vertriebstätigkeit des Handelsvertreters trotzdem Vorteile hatte.

Damit ist nun Schluss. Maßgeblich für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs sind nunmehr in Umkehrung der bisherigen Paradigmen die Unternehmervorteile, nicht die Provisionsverluste des Vertreters. Kann das Unternehmen aus der Akquisetätigkeit des Vertreters Vorteile ziehen, ohne dass der Vertreter selbst bei Fortsetzung seiner Tätigkeit entsprechende Vorteile hätte erreichen können, steht ihm dennoch ein Ausgleichsanspruch nunmehr zu, unterstellt die übrigen Voraussetzungen sind erfüllt.

Ein Vertreter, der Produkte vertreibt, für die in der Regel nur ein einmaliger Bedarf besteht, zum Beispiel bei Lexika, Fenstern oder auch Fertighäusern, hat nach der neuen Regelung größere Chancen einen Ausgleichsanspruch zu erhalten. Maßgeblich ist der jeweilige Einzelfall.

Was sich in der Praxis verändern wird, bleibt abzuwarten. Die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs ist für den Handelsvertreter etwas komplizierter geworden, hat jedoch nunmehr größeres Potenzial. Für die Unternehmen heißt das, genau zu prüfen, inwieweit durch die Handelsvertretertätigkeit tatsächlich Vorteile für die Zukunft nutzbare Vorteile gewonnen wurden.

Es lohnt sich also, genau zu prüfen, ob und in welcher Höhe ein Ausgleich bei Beendigung des Handelsvertretervertrags zu zahlen ist. Die Argumentationsspielräume sind größer geworden.

Dr. Malte Schwertmann