Weglagerei 3.0

Wird „geblitzt“ ist der Vorwurf der Abzocke nicht weit. Doch ebenso richtig und wichtig wie die Geschwindigkeitsüberwachung für die Sicherheit im Straßenverkehr ist, ebenso nachvollziehbar ist die Kritik an der Durchführung derselben. Ganz abgesehen von der Frage, ob wirklich vornehmlich an Unfallschwerpunkten gemessen wird, sind es vor allem die eingesetzten Messmethoden, die für erheblichen Ärger sorgen. Zumindest drei Amtsrichtern wurde dies nun bezüglich des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO 3.0 zu bunt und haben freigesprochen.

Die Firma ESO, Hersteller einer ganzen Reihe von (Geschwindigkeits-) Messgeräten, hat sich auf konkrete Anfrage des Amtsgerichts geweigert, genaue Angaben über die Funktionsweise des Einheitssensors 3.0 herauszugeben. Begründet wurde die Weigerung mit dem Interesse des Herstellers an Marken- und Patentschutz und das Gericht ließ man bei dieser Gelegenheit wissen, dass eine fehlerhafte Messung unter keinen Umständen entstehen kann. So weit, so dreist.

Das Schlimme nur: Das genügt den meisten Gerichten! Völlig ausgeblendet wird dabei, dass eine gerichtliche Überprüfung der Messung – das ist der Sinn des gerichtlichen Verfahrens in einem Rechtsstaat – damit gar nicht mehr stattfindet. Der Hersteller bestätigt „zur Überzeugung des Gerichts“ die einwandfreie Funktionsweise seiner eigenen Messgeräte – wie praktisch. Übertragen auf den Kfz-Markt würde dies bedeuten: Ein Fahrzeugmangel kann bereits dann „zur Überzeugung des Gerichts“ nicht vorliegen, wenn der Hersteller des Kfz bestätigt, dass Mängel unter keinen Umständen auftreten!

Aber warum verschließt Justitia hier so fest die Augen? Müssen wirklich die – zweifelhaften – (Geheimhaltungs-) Interessen des Herstellers zu Lasten der Betroffenen gehen? Nein, müssen sie nicht. Der Kunde, die Verwaltungsbehörde, kann Geräte bestellen, die die Messung für eine sachverständige Überprüfung aufzeichnen. Technisch ist dies ohne weiteres möglich. Dann könnte das Gericht – unter Heranziehung eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen – die Messung selbst auch tatsächlich überprüfen. Solange die Gerichte dieses Spielchen aber mitspielen und alles ohne eigene Prüfung durchwinken, wird es kein Umdenken bei den Verwaltungsbehörden und erst recht nicht bei den Herstellern geben. Warum auch?

Dabei wäre Akzeptanz durch die Verkehrsteilnehmer in den allermeisten Fällen ohne wesentlichen Aufwand zu erreichen: Derjenige Anbieter von Verkehrsüberwachungsgeräten erhält dann keine Aufträge seitens der Verwaltungsbehörden mehr, sobald die Messungen mit dessen Geräten nicht „gerichtsfest“ sind. Hierzu müssten aber die Gerichte klar herausstellen, dass sie ihrer Pflicht zur Beweiswürdigung nicht nachkommen können, wenn die Funktionsweise des Geräts nicht offen gelegt wird. Die Amtsrichter in Kaiserslautern, Groß-Gerau und Landstuhl haben einen Anfang gemacht.

Michael Schmidl
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