Sofern es nicht dem Zufall oder der gesetzlichen Erbfolge überlassen sein soll, wer wen im Falle eines Todes beerbt, ist es ratsam, sich Gedanken über die Erbfolge und eine entsprechende Verfügung z.B. in Form eines Testaments zu machen.
Bei der Gestaltung der Erbfolge ergibt sich meist die Frage, ob die Übertragung von Vermögen von einer Generation auf die nächste erst mit dem Erbfall, also durch Tod einer Person, oder ob bereits zu deren Lebzeiten „mit warmer Hand“ geschehen soll.
Wie so oft bei der Bewertung rechtlicher Fragestellungen gibt es hier kein ausschließliches „falsch“ oder „richtig“. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an. Entscheidend ist die jeweilige Situation der Beteiligten und die mit der jeweiligen Gestaltungsvariante verbundenen rechtlichen Konsequenzen.
Ein umfassendes, im Wortlaut eindeutiges Testament kann dazu helfen, Erbstreitigkeiten unter Familienangehörigen zu vermeiden. Der Gestaltungsspielraum einer erbrechtlichen Verfügung ist jedoch endlich.
Am ehesten ist dies mit Blick auf mögliche Pflichtteilsansprüche ersichtlich. Ein gutes Testament kann die Erbfolge eindeutig bestimmen. Regelmäßig ist es – ausgenommen von seltenen Ausnahmefällen – nicht möglich, den Pflichtteil zum Beispiel durch ein Testament auszuschließen. Werden im Erbfall pflichtteilsberechtigte Personen, das sind Kinder, Ehegatten und ggf. Eltern, von der Erbfolge ausgeschlossen, steht ihnen gegen den oder die Erben der Pflichtteil zu.
Der Ausschluss von der Erbfolge oder auch „Enterbung“ genannt, führt häufig zu Streitigkeiten. Dies liegt zum einen daran, dass zumindest der Enterbte bist zur Testamentseröffnung keine Kenntnis von der eigenen Enterbung hatte und zum anderen mit der Enterbung nicht nur die eigene Erwartungshaltung unerfüllt bleibt, sondern auch die Gewissheit besteht, das andere bevorzugt werden.
Bei derartigen Konstellationen kommt es meist zu persönlichen Zerwürfnissen zwischen den Beteiligten. Langwierige und aufwändige Auseinandersetzungen, mindestens außergerichtlich, wenn nicht sogar gerichtlich, sind regelmäßig eine unangenehme Folge dessen. Am Ende des Streits steht oft eine entzweite Familie.
Abhilfe könnte hier eine vertragliche Gestaltung zu Lebzeiten des Erblassers schaffen, mit der Teile einer künftigen Erbmasse an die vorgesehenen Erben übertragen werden. Im Erbrecht spricht man von der „vorweggenommenen Erbfolge“. Denkbar ist bei dieser Gestaltung auch, dass alle Beteiligte einbezogen werden. Pflichtteile können so minimiert oder gar ganz ausgeschlossen werden. Anders als die Gestaltung der Erbfolge für den Todesfall steht den Beteiligten bei der Errichtung eines Vertrages ein größerer Gestaltungsspielraum zu Verfügung. Ob und welche Verfügungen hier getroffen werden, muss im Hinblick auf die meist erheblichen persönlichen und finanziellen Auswirkungen sorgfältig abgewogen werden.
Kommt eine Gestaltung über die vorweggenommene Erbfolge in Betracht, sollten sich die Beteiligten rechtzeitig informieren und diese umsetzen. Eine fundierte und umfassende rechtliche Beratung und Begleitung bei der Erstellung eines Vertragswerkes oder eines Testaments sollte von einem Spezialisten oder einer Spezialistin, möglichst mit einem Titel Fachanwalt/Fachanwältin für Erbrecht, erfolgen.
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