Das OLG Frankfurt fand in seinem Urteil vom 12.11.2020, Az.: 6 U 210/19, deutliche Worte. Das Verhalten der Klägerin lasse nur den Schluss zu, dass es ihr in erster Linie darum gehe, sich im Zusammenwirken mit ihrem Prozessbevollmächtigten durch die Abmahntätigkeit eine Einnahmequelle zu erschließen.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine in Hamburg ansässige, 2017 gegründete GmbH. Der Beklagte betreibt ein Reisebüro und bietet seine Reisebürodienstleistungen über eine Webseite an. Die Webseite enthielt keinen Hinweis auf und keinen klickbaren Link zur sog. OS-Plattform. Bei der sog. OS-Plattform handelt es sich um eine europäische Streitschlichtungs-Plattform für Streitschlichtungen im Online-Handel. Eine Verlinkung zu dieser Plattform ist für alle Online-Händler Pflicht. Die Klägerin mahnte den Beklagten deshalb erfolglos ab. Ihre Ansprüche auf Unterlassen des gerügten wettbewerbswidrigen Verhaltens sowie auf Ersatz entstandener Rechtsanwaltskosten wies das OLG Frankfurt ab.
Entscheidung
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Klage bereits unzulässig. Die Rechtsverfolgung sei rechtsmissbräuchlich. Es sei unzulässig, Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassen wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung geltend zu machen, wenn dies vorwiegend dazu diene, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem Missbrauch sei auszugehen, wenn das beherrschende Motiv sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele seien. Anhaltspunkt hierfür könne etwa sein, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stehe. Ein weiteres Indiz liege vor, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse habe.
Hier spreche bereits die hohe Zahl von über 240 Abmahnungen innerhalb eines Jahres, die sich in fast allen Fällen auf die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform oder auf die Verletzung anderer Pflichten von Diensteanbietern bezogen, für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Die Klägerin werde durch diese Verstöße in ihrer wirtschaftlichen Betätigung nicht unmittelbar berührt. Die Verstöße beträfen vielmehr vorrangig die Rechtsbeziehungen der abgemahnten Reiseunternehmen zu ihren Kunden, ohne dass der Marktzugang für die Klägerin dadurch erschwert würde. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin – wenn überhaupt – nur vorübergehend und in sehr speziellen Segmenten des Reisevermittlermarktes tätig sei. Ihren eigenen Angaben nach befinden sich die meisten ihrer angeblichen Tätigkeiten im Planungsstadium und dies seit mehreren Jahren. Das Verhalten der Klägerin lasse daher nur den Schluss zu, dass es ihr in erster Linie darum gehe, sich im Zusammenwirken mit ihrem Prozessbevollmächtigten durch die Abmahntätigkeit eine Einnahmequelle zu erschließen.
Einordnung
Abmahnungen sollen zu einem rechtstreuen Wettbewerb beitragen und nicht zur Generierung von Anwaltsgebühren und Vertragsstrafen missbraucht werden. Wettbewerbsverhältnisse sollten nicht bewusst geschaffen werden, um Einnahmen durch Abmahnungen zu ermöglichen.
Auf der Linie des OLG Frankfurt befindet sich ebenso der Gesetzgeber. Der Bundestag hat am 10.09.2020 den Gesetzentwurf zur Stärkung des fairen Wettbewerbs angenommen. In diesem Gesetz werden insbesondere die Voraussetzungen für eine Erstattung der Abmahnkosten erhöht.
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