Das Urteil eines Amtsgerichts, das die Anfechtungsklage eines Insolvenzverwalters abweist, weil es die BGH-Rechtsprechung zur Inkongruenz einer Zahlung des Insolvenzschuldners unter dem Druck der Zwangsvollstreckung nicht teilt, gleichwohl aber die Berufung nicht zulässt, ist aufzuheben. Das Bundesvefassungsgericht stellte eine objektiv willkürliche Nichtzulassung der Berufung fest, BVerfG, 12.08.2014 – 2 BvR 176/12.
Die Ausführungen des Amtsgerichts machen sprachlos. Aus dem Beschluss des BVerfG:
„(…) Der Beschwerdeführer ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde auf einen Antrag aus dem Oktober 2009 im Januar 2010 eröffnet. Im September 2009 hatte die bereits zahlungsunfähige Insolvenzschuldnerin 322,07 Euro an den von einer Gläubigerin beauftragten Gerichtsvollzieher gezahlt. In dem Ausgangsverfahren verlangte der Beschwerdeführer von der Gläubigerin die Rückzahlung dieses Betrages, weil die im Wege der Zwangsvollstreckung oder unter dem Druck angekündigter Zwangsvollstreckung erfolgte Befriedigung im Sinne von § 131 InsO als inkongruent anzusehen sei.
Nach Eingang der Klage wies das Amtsgericht darauf hin, dass es die obergerichtliche Rechtsauffassung nicht teile, nach der Zahlungen, die unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erfolgen, inkongruent seien. Der Beschwerdeführer trat dem entgegen und regte die Zulassung der Berufung an.
Mit dem angegriffenen Urteil wies das Amtsgericht die Klage ab. Die Leistung eines Gemeinschuldners in Zeiten der Krise im Rahmen einer Einzelzwangsvollstreckung sei zwar nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte inkongruent. Das Amtsgericht schließe sich dieser Rechtsauffassung aber nicht an. Die Berufung sei nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung habe und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderten. Dem Amtsgericht sei aus einem anderen Verfahren bekannt, dass das zuständige Landgericht die Rechtsauffassung der Obergerichte teile. Die zugrunde liegende Rechtsfrage sei somit geklärt. Die Zulassung der Berufung diene nicht dazu, eine der Partei ungünstige Rechtsauffassung eines Amtsgerichts durch die für sie günstigere Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu ersetzen.
Die gegen die unterbliebene Zulassung der Berufung gerichtete Anhörungsrüge des Beschwerdeführers wies das Amtsgericht zurück. Eine Zulassung der Berufung komme nicht in Betracht, wenn der Bundesgerichtshof eine Frage längst geklärt habe. Vorliegend gebe es eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, die auch in jüngerer Zeit nicht von der Literatur oder unteren Gerichten in Frage gestellt werde. Die abweichende Ansicht des Amtsgerichts sei in der Sache zwar richtig, aber eine absolute Mindermeinung. Eine Rechtsfortbildung sei leider nicht zu erwarten. (…)“
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