Corona-Virus und Arbeitsrecht

Das Corona-Virus verbreitet sich schneller als anfangs angenommen und bestimmt täglich die Schlagzeilen. Bereits jetzt sind die Auswirkungen für die heimische Wirtschaft dramatisch. Ein zeitnahes Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Die Politik versucht, Lösungen zu schaffen, die die Unternehmen entlasten. Für die tägliche Personalarbeit in den Unternehmen stellen sich viele Rechtsfragen. Harald Schwarz, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gibt Antworten:

Ist der Arbeitgeber zu vorbeugenden Maßnahmen verpflichtet?

Der Arbeitgeber hat eine arbeitsvertragliche Pflicht zum Ergreifen von Schutzmaßnahmen und zur Risikominimierung. Bestandteil dieser Pflicht ist es, die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, um eine potenzielle Ansteckungsgefahr zu vermeiden und über das Infektions- und Erkrankungsrisiko aufzuklären.

Was gilt hinsichtlich der Meldung von Verdachtsfällen?

Bereits bei einem begründeten Verdacht einer Erkrankung besteht eine namentliche Meldepflicht durch die feststellenden Ärzte. Der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer selbst haben keine Meldepflicht. Nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts besteht ein begründeter Verdacht bei akuten Symptomen einer Erkrankung der Atemwege und einem Aufenthalt in einem Risikogebiet innerhalb der letzten 2 Wochen oder einem Kontakt mit einem bestätigten Fall.

Inwieweit bestehen Auskunftspflichten des Arbeitnehmers?

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber mitzuteilen, an welchem Urlaubsort er sich aufgehalten hat, es sei denn, dies ist erforderlich, damit der Arbeitgeber konkrete Arbeitsschutzmaßnahmen ergreifen kann, also bei Aufenthalt des Arbeitnehmers in einem Risikogebiet oder Kontakt mit einem bestätigten Fall in den letzten 14 Tagen.

Kann der Arbeitgeber eine ärztliche Untersuchung verlangen?

Vom Grundsatz her ist das nicht möglich, da das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers überwiegt. Ausnahmsweise muss sich der Arbeitnehmer untersuchen las-sen, wenn ein begründeter Verdacht besteht. In einem solchen Fall übernehmen die Krankenkassen auch die Kosten des Tests, die zwischen 130,00 € – 250,00 € liegen.

Wann können Arbeitnehmer von sich aus zuhause bleiben?

Vorsorglich daheimbleiben aus Angst vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz ist nicht zulässig, da grundsätzlich Arbeitspflicht besteht. Wer trotzdem zuhause bleibt, fehlt unentschuldigt, riskiert also eine Abmahnung oder Kündigung und hat in dieser Zeit keinen Lohnanspruch. Die Arbeitsleistung kann nur dann zurückgehalten werden, wenn ein begründeter Corona-Verdacht im Unternehmen aufgetreten ist.

Kann der Arbeitgeber Arbeit im Homeoffice anordnen?

Eine einseitige Anordnung gegen den Willen des Arbeitnehmers ist nicht zulässig. Es ist immer die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Diese kann entweder bereits im Arbeitsvertrag enthalten sein oder sie wird im konkreten Fall durch eine individuelle Absprache erteilt.

Können Arbeitnehmer Arbeit im Homeoffice verlangen?

Einen solchen Anspruch gibt es nur dann, wenn dies arbeitsvertraglich vereinbart ist.

Besteht Arbeitspflicht während häuslicher Quarantäne?

Wenn der Arbeitnehmer von zuhause aus arbeiten kann und nicht arbeitsunfähig krank ist, besteht auch Arbeitspflicht.

Inwieweit können Mitarbeiter versetzt werden?

Eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort oder die Zuweisung einer anderen Tätigkeit kann nur im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen erfolgen. In vielen Verträgen ist geregelt, dass dem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsort oder eine andere Tätigkeit zugewiesen werden kann, die allerdings zumutbar sein muss.

Unter welchen Voraussetzungen können Überstunden angeordnet werden?

Die einseitige Anordnung von Überstunden ist nicht möglich. Es ist die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich, die entweder bereits im Arbeitsvertrag niedergelegt ist oder im konkreten Fall erteilt werden muss.

Kann der Arbeitgeber den Abbau von Überstunden anordnen?

Der Abbau von Überstunden durch Gewährung von Freizeitausgleich kann grundsätzlich durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers erfolgen, es sei denn, es gibt eine abweichende Regelung im Arbeitsvertrag bzw. einer Betriebsvereinbarung. Wenn der Arbeitnehmer nach der Anordnung des Freizeitausgleichs erkrankt, werden die zum Abbau vorgesehenen Stunden nicht „eingefroren“, sondern auch währen der Krankheitszeit abgebaut.

Unter welchen Voraussetzungen können Arbeitnehmer nach Hause geschickt werden?

Arbeitnehmer haben grundsätzlich einen Beschäftigungsanspruch. Eine Freistellung von der beruflichen Tätigkeit durch den Arbeitgeber ist deshalb nur zulässig, wenn ein überwiegendes Arbeitgeberinteresse besteht. Bei einem begründeten Corona-Verdacht hat der Arbeitgeber vorrangige arbeitsrechtliche Schutzpflichten und kann den Arbeitnehmer deshalb einseitig und widerruflich freistellen. Eine Verrechnung von Zeitguthaben ist möglich, die Anrechnung von Urlaub nicht.

Können Arbeitnehmer gegen ihren Willen in den Urlaub geschickt werden?

Das ist grundsätzlich nicht zulässig. Allerdings sind individuelle Absprachen jederzeit möglich, das heißt der Arbeitnehmer kann sich mit dem Arbeitgeber darauf verständigen, in der Krisenzeit in Urlaub zu gehen.

Kann der Arbeitgeber Betriebsurlaub anordnen?

In Unternehmen, in denen ein Betriebsrat besteht, kann auch kurzfristig Betriebsurlaub vereinbart werden unter der Voraussetzung, dass der Urlaub max. 3/5 des kompletten Jahresurlaubs ausmacht. Gibt es keinen Betriebsrat, ist die einseitige kurzfristige Anordnung von Betriebsurlaub nicht möglich.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Dienstreise ins Ausland angeordnet werden?

Ist die Verpflichtung zu Auslandsdienstreisen arbeitsvertraglich vereinbart, muss der Arbeitnehmer diese antreten, es sei denn, für das vorgesehene Reisegebiet liegt eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts vor.

Sind besondere datenschutzrechtliche Vorschriften zu beachten?

In Corona-Fällen ist die Offenlegung der Person und der Erkrankung notwendig, um Schutzmaßnahmen zu ermöglichen. Die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten ist aber zulässig, da sie zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und zum Schutz der anderen Mitarbeiter erfolgt.

Welche Lohnansprüche bestehen im Falle einer Erkrankung am Corona-Virus?

Arbeitnehmer haben nach allgemeinen Regeln Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen. Der Anspruch besteht nicht, wenn die Erkrankung selbst verschuldet ist, was in Betracht kommt, wenn jemand nicht zwingend notwendige Reisen in Länder mit Reisewarnung unternommen und sich dort infiziert hat.

Gibt es Besonderheiten bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen?

Aktuell sind die Regeln erleichtert worden. Bei leichten Erkrankungen der oberen Atemwege genügt eine telefonische Rücksprache mit dem Arzt. Dieser kann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zu 7 Tagen ausstellen. Die Pflicht zur unverzüglichen Meldung der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber sowie zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am 4. Tag nach Feststellung der Erkrankung bleibt aber unverändert bestehen.

Gibt es einen Anspruch auf Freistellung zur Kinderbetreuung?

Bei Kindern bis zu 12 Jahren, die im Haushalt leben, hat der Arbeitnehmer bei entsprechenden ärztlichen Zeugnis gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für max. 10 Tage, bei Alleinerziehenden für 20 Tage, es sei denn, dieser Anspruch ist arbeitsvertraglich ausgeschlossen worden. Für diesen Fall besteht ein Anspruch auf Krankengeld für dieselbe Zeit gegenüber der Krankenkasse.

Was gilt, wenn Kindergarten und Schule geschlossen sind?

Hier gibt es aktuell noch eine unbefriedigende Gesetzeslage. In solchen Fällen besteht derzeit nur ein Anspruch auf bezahlte Freistellung für eine vorübergehende Zeit, allenfalls bis zu 5 Tagen, da die Organisation der Kinderbetreuung in die Privatsphäre des Arbeitnehmers und damit auch in seinen Risikobereich fällt. Allerdings ist aus Regierungskreisen zu hören, dass derzeit an einer Verbesserung der Gesetzeslage für solche Fälle gearbeitet wird.

Was ist, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel geschlossen werden?

Das „Wegerisiko“ liegt beim Arbeitnehmer. Er muss in eigener Verantwortung dafür Sorge tragen, dass er pünktlich zur Arbeit erscheint und deshalb alle Alternativen in Betracht ziehen, z.B. Auto, Fahrrad, Taxi. Für die Zeit der Verspätung besteht kein Lohnanspruch, außerdem müssen die ausgefallenen Stunden nachgearbeitet werden.

Wie ist es mit gesetzlichen Erleichterungen bei der Arbeitszeit?

In Bayern wurde vom zuständigen Ministerium eine Flexibilisierung der Arbeitszeitregeln verfügt. Danach dürfen Arbeitnehmer zur Produktion von existenziellen Gütern und für Dienstleistungen zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge über die tägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden hinaus beschäftigt werden und zwar auch an Sonn- und Feiertagen. Ruhepausen dürfen insgesamt verkürzt und angemessen verteilt werden. Die Ruhezeit von bisher 11 Stunden darf um 2 Stunden verkürzt werden.

Gibt es eine staatliche Entschädigung für Verdienstausfall?

Bei der behördlichen Anordnung eines beruflichen Tätigkeitsverbots oder einer Quarantäne kann der Verdienstausfall in Geld entschädigt werden und zwar für die Dauer von 6 Wochen in voller Höhe, danach in Höhe des Krankengelds. Der Arbeitgeber hat einen Erstattungsanspruch für den gezahlten Verdienst in den ersten 6 Wochen, der Arbeitnehmer für die Zeit danach und zwar jeweils gegenüber der zuständigen Regierung. Das amtliche Formular steht unter www.freistaat.bayern.de zum Download bereit.

Muss der Lohn bei Betriebsschließungen bezahlt werden?

Wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann, weil er infolge einer behördlichen Anordnung seinen Betrieb stilllegen musste, hat er trotzdem die vereinbarte Vergütung an seine Mitarbeiter bezahlen, da er das sog. „Betriebsrisiko“ trägt, es sei denn, dies ist arbeitsvertraglich abbedungen. Nach derzeitiger Rechtslage gibt es in solchen Fällen keinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Staat.

Unter welchen Voraussetzungen kann Kurzarbeit eingeführt werden?

Die einseitige Einführung von Kurzarbeit ist nicht möglich. Es muss immer die Zustimmung der Mitarbeiter vorliegen, die entweder auf Grundlage eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung, eines Arbeitsvertrags oder im gegenseitigen Einvernehmen erteilt worden ist. Bei wirksamer Einführung von Kurzarbeit werden die Arbeitszeit und die Vergütung entsprechend verringert.

Unter welchen Voraussetzungen kann Kurzarbeitergeld bezogen werden?

Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht. Der Arbeitsausfall muss vorübergehend und nicht vermeidbar sein. Es kann jeder Betrieb Kurzarbeitergeld beantragen, der mindestens einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 % des Nettoverdienstes, bei Unterhaltspflichtigen 67 % und kann jedenfalls für 12 Monate in Anspruch genommen werden.

Gibt es aktuell erleichterte Zugangsvoraussetzungen?

Bisher mussten mindestens 1/3 der im Betrieb Beschäftigten von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein. Diese Quote wurde auf 10 % abgesenkt. Außerdem gibt es einen teilweisen oder vollständigen Verzicht auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden. Auch Leiharbeitnehmer können jetzt Kurzarbeitergeld beziehen. Den Arbeitgebern werden die Sozialversicherungsbeiträge für die ausgefallenen Stunden jetzt vollständig durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet.

Sind Kündigungen möglich?

Es gibt kein Sonderkündigungsrecht wegen des Corona-Virus. Es bleibt bei den allgemeinen kündigungsrechtlichen Voraussetzungen, d. h. es gilt insbesondere das Kündigungsschutzgesetz sowie die Vorschriften über einen besonderen Kündigungsschutz (z.B. für Schwerbehinderte). Ob eine Kündigung betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, wird in jedem Einzelfall zu entscheiden sein, gegebenenfalls im Vergleich zu den Kosten, die bei Kurzarbeit anfallen.

Was gilt bei Massenentlassungen?

Auch hier gibt es keine Besonderheiten. Besteht im Betrieb einen Betriebsrat, sind dessen Mitbestimmungsrechte im Fall von Massenentlassungen zu beachten, das heißt u.a., dass ein Sozialplan mit Abfindungsregelungen aufzustellen ist.

Sind Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag sinnvoll?

Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sind gefordert, mit Ruhe und Augenmaß zu reagieren. In der Praxis lassen sich dann viele Fälle einvernehmlich regeln. Trotzdem ist es sinnvoll, vorbereitet zu sein und zu prüfen, ob die bestehenden Arbeitsverträge ausreichend oder anlassbezogene Zusatzvereinbarungen erforderlich sind.

Harald Schwarz
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