Das Problem des Stalking hat erst in jüngerer Zeit die notwendige Aufmerksamkeit beim Gesetzgeber und der Justiz gefunden. Stalker sind Personen, die einen anderen Menschen verfolgen, belästigen und terrorisieren. Erst im Jahr 2007 wurde mit § 238 StGB der Straftatbestand der „Nachstellung“ eingeführt, der mindestens eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe als Sanktion vorsieht. Opfer von Stalking-Angriffen können auch zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz geltend machen, wenn durch die Angriffe ihr Persönlichkeitsrecht verletzt ist.
Besonders schwierig und belastend ist der Umgang mit Stalkern am Arbeitsplatz, da das Opfer dem Stalker durch die gemeinsame Arbeitsstätte nahezu zwangsläufig und oft auch täglich begegnet. Im Falle von (sexuellen) Belästigungen muss der Arbeitgeber bereits aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes handeln. Es sieht einen Maßnahmenkatalog bis hin zur Kündigung vor. Das besondere Problem des Stalking in arbeitsrechtlicher Hinsicht besteht oft allerdings darin, dass der Tatbestand der (sexuellen) Belästigung (noch) nicht verwirklicht ist.
Mit diesem Problem hat sich nun das Bundesarbeitsgericht beschäftigt. Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer einer Arbeitskollegin gegen deren ausdrücklich erklärten Willen zahlreiche E-Mails geschickt, sie ohne dienstlichen Anlass im Büro angerufen oder dort aufgesucht und sich wiederholt und zunehmend aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Mit Urteil vom 19.04.2012 stellte das Gericht fest, dass Stalking die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht darstellt, die darin besteht, die Privatsphäre und den deutlichen Wunsch einer Arbeitskollegin zu respektieren, nichtdienstliche Kontaktaufnahmen mit ihr zu unterlassen. Ein Verstoß hiergegen kann sogar eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Ob es zuvor einer einschlägigen Abmahnung bedarf, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Dieses Urteil sollte den betroffenen Opfern Mut geben, sich gegen Stalker am Arbeitsplatz zur Wehr zu setzen und sich vertrauensvoll an den Arbeitgeber zu wenden, damit dieser auf Abhilfe oder auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Stalker hinwirkt.
- Aufzeichnungspflicht von Überstunden? - 7. Juni 2022
- Ausschlussfristen im Arbeitsrecht – Fluch oder Segen? - 14. September 2021
- Recht auf Homeoffice in Corona-Zeit? - 11. November 2020