Seit 01.01.2015 ist das Mindestlohngesetz in Kraft. Es sieht einen Lohnanspruch von 8,50 € brutto pro Stunde vor.
Bei der Anwendung des Gesetzes in der Praxis bleiben viele Fragen offen. Hier ist die Arbeitsgerichtsbarkeit berufen, die passenden Antworten zu liefern.
Es gibt auch bereits erste Grundsatzentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. In seinem Urteil vom 25.05.2016 entschied das Gericht, dass eine Jahressonderzahlung auf den Mindestlohn angerechnet werden kann. Dadurch kann ein niedrigerer Stundenlohn als der gesetzliche „aufgefüllt“ werden.
Dies gilt allerdings nur für Sonderzahlungen, auf die ein fester Rechtsanspruch besteht (z.B. 13. Gehalt), nicht dagegen bei freiwilligen Leistungen (z.B. ein unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestelltes Weihnachtsgeld) oder bei Sonderzahlungen, die keine Gegenleistung für die eigentliche Arbeitsleistung darstellen (z.B. zusätzliches Urlaubsgeld). Eine Anrechnung ist aber jeweils nur in dem Monat möglich, in dem die Auszahlung erfolgt, d.h. eine vollständige Anrechnung der Jahressonderzahlung über das ganze Jahr kann nur erfolgen, wenn sie monatlich anteilig mit 1/12 geleistet wird.
Nach der weiteren Entscheidung des BAG vom 29.06.2016 rechnen zur vergütungspflichtigen Arbeit auch Bereitschaftszeiten, während derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort -innerhalb oder außerhalb des Betriebs- während derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort -innerhalb oder außerhalb des Betriebs- bereithalten muss, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Nicht vergütungspflichtig ist damit die reine Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort selbst bestimmt.
Auch hinsichtlich der Höhe des Mindestlohns gibt es Entwicklungen. Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es etliche Branchen -Mindestlöhne, die in Tarifverträgen ausgehandelt und von der Politik für allgemeinverbindlich erklärt werden. Ab Mai 2016 sind mehrere dieser Mindestlöhne gestiegen, zum Beispiel im Maler- und Lackiererhandwerk für ungelernte Beschäftigte auf 10,10 € brutto.
Der gesetzliche Mindestlohn soll nach der Empfehlung der zuständigen Mindestlohnkommission ab Januar 2017 auf 8,84 € brutto angehoben werden. Diese Erhöhung liegt mit 4 % sogar über dem Durchschnitt der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Tariflohnsteigerungen der letzten 1 1/2 Jahre, die 3,2 % betrugen. Dies führt nach Schätzungen des DGB dazu, dass Vollzeitbeschäftigte zukünftig ca. 55 € mehr „in der Tasche“ haben sollen.
Es ist also abzusehen, dass das Mindestlohngesetz mit all seinen Facetten auch zukünftig immer wieder Neuerungen, aber auch Überraschungen bereithalten wird.
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