Das menschliche Leben ist höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltenswürdig

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 02.04.2019 (erneut) deutliche Worte gefunden! Der Hintergrund der Entscheidung liegt im Arzthaftungsrecht. Entschieden hat der für das Arzthaftungsrecht zuständige sechste Zivilsenat des BGH.

Der 1929 geborene Vater des Klägers litt an fortgeschrittener Demenz. In den letzten beiden Jahren seines Lebens kamen Lungenentzündungen und eine Gallenblasenentzündung hinzu. Im Oktober 2011 ist er verstorben. Der Patient wurde von September 2006 bis zu seinem Tod mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt. Er hatte keine Patientenverfügung errichtet. Der BGH hatte also nicht über die Fallgestaltung zu entscheiden, dass die künstliche Ernährung gegen den Willen des Betroffenen erfolgte.

Der Kläger, der Sohn, vertritt die Auffassung, die künstliche Ernährung sei eine sinnlose Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens des Patienten gewesen und der Arzt hätte das Therapieziel dahingehend ändern müssen, dass eine Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen zugelassen werde. Der Sohn hat aus ererbtem Recht Schmerzensgeld und Ersatz für Behandlungs-und Pflegeaufwendungen verlangt.

Der BGH hat drei Dinge deutlich gemacht:

  1. Es fehltan einem immateriellen Schaden. Der durch die künstliche Ernährung ermöglichte Zustand des Weiterlebens steht dem Zustand gegenüber, wie er bei Abbruch der künstlichen Ernährung eingetreten wäre, also dem Tod. Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltenswürdig.
  2. Das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu! Deshalb verbietet es sich, das Leben –auch ein leidensbehaftetes Weiterleben –als Schaden anzusehen, Art. 1, Art. 2 GG.
  3. Es ist nicht Aufgabe der Ärzte im Sinne der Aufklärungs-und Behandlungspflicht wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben verbunden sind, zu verhindern. Insbesondere dienen diese Pflichten nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.

Mit diesem Hinweis räumt der BGH wiederum erneut mit einem weit verbreiteten Irrtum künftiger Erben auf: Künftige Erblasser sind nicht verpflichtet, ihr vorhandenes Vermögen zu schonen, damit für mögliche Erben Vermögenssubstanz erhalten bleibt. Dies ist nicht der Fall.

Ulrike Alt