Befristete Arbeitsverhältnisse geraten immer wieder in die Kritik, insbesondere in Form der sogenannten Kettenbefristungen. Warum ist das so?
Normalerweise genießen Arbeitnehmer, die in einem Betrieb mit mehr als 10 Arbeitnehmern schon länger als 6 Monate arbeiten, den allgemeinen Kündigungsschutz des KSchG, d. h. der Arbeitgeber benötigt auch für eine ordentliche fristgerechte Kündigung einen Kündigungsgrund. Mit befristeten Arbeitsverträgen kann der Kündigungsschutz in bestimmten Grenzen umgangen werden. In den ersten beiden Jahren ist eine Befristung ohne jeglichen Grund zulässig, sie kann innerhalb dieses Zeitraums auch 3 x ohne Grund verlängert werden. Erst wenn die Befristung länger oder öfter vereinbart werden soll, ist ein sogenannter „Sachgrund“ erforderlich. Welche Sachgründe es gibt, ist gesetzlich geregelt (§ 14 Abs. 1 TzBfG).
Was gilt aber, wenn ein Arbeitnehmer eingestellt wird, der früher schon einmal bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war? Geht es in dem neuen Arbeitsverhältnis wieder von „Null“ los, kann also das Arbeitsverhältnis erneut ohne Sachgrund befristet werden? Die Antwort liefert auf dem ersten Blick das Gesetz. Wenn „zuvor“ bereits ein unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis bestand, scheidet eine sachgrundlose Befristung von vornherein aus uns zwar unabhängig davon, wie lange das frühere Arbeitsverhältnis bereits zurücklag.
Das Bundesarbeitsgericht hielt das für ungerecht und unpraktikabel und legte den Begriff „zuvor“ so aus, dass Arbeitsverhältnisse nicht zählen, die länger als 3 Jahre zurückliegen (Urteil vom 21.09.2011). Am 06.06.2018 trat das Bundesverfassungsgericht dem entgegen und entschied, dass eine solche Gesetzesauslegung des BAG zu weit geht.
Das BAG selbst hatte jetzt Gelegenheit, seine eigene Rechtsprechung zu überdenken und an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Das Ergebnis ist eine weitgehende Kehrtwendung. Jetzt heißt es, dass grundsätzlich wieder alle früheren Arbeitsverhältnisse zählen, auch die, die länger als 3 Jahre zurückliegen. Ausnahmen soll es nur geben, wenn das Verbot der sachgrundlosen Befristung im Einzelfall unzumutbar wäre, weil eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (Urteil vom 23.01.2019 – 7 AZR 733/16). In der Konsequenz heißt das, dass es jetzt wieder schwerer wird, sachgrundlos zu befristen. Keine Auswirkungen haben die genannten Urteile auf die Befristung mit Sachgrund, die unverändert im Umfang der gesetzlichen Regelungen (§ 14 Abs. 1 TzBfG) zulässig bleibt.
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